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Thu Nov 16 11:43:05 CET 2006


mailia on interfiction -

http://www.interfiction.org/2006/triple-double-u.html



Es hat nie wirklich Autoren gegeben. Am Anfang war ein Text? Und der
Text generierte andere Texte, ueberlagerte sich mit Bildern, Metaphern,
Briefen, Schriftrollen, Traumresten, Einritzungen ... Jemand hatte das
alles gehoert und aufgeschrieben: die Maerchen, die Mythen des Alltags,
abgeschrieben und heruntergeladen aus dem Internet. Andere hatten
weitergeschrieben, korrigiert, geloescht, umgeschrieben, uebersetzt,
Briefe verschickt, Reden gehalten, Lieder gesungen, Theaterstuecke
aufgefuehrt ... aber Autoren, die hat es niemals gegeben, nur Texte ...

"Odysseus reist durch eine nur in der Sprache geborene Erlebnisidee, in
die reale Erinnerungsmomente eingeflossen sind, ohne dass sie direkt in
einen aktuell sich ereignenden Lebenszusammenhang eingebettet waeren.
Unmittelbar erlebt ist allein der epische Text im Vollzug seines
Entstehens und seiner Wahrnehmung. Ob dahinter eine wie in diesem Fall
plurale Autorschaft steht, die sich der Obersignatur Homers bedient,
oder ob es wie beispielsweise fuer Vergils 'Aeneis' eine personal
konkretisierbare Autorschaft waere, ist nicht von entscheidendem Belang.

Jeder Text ist Bestandteil verschiedener textproduktiver und -
rezeptiver Prozesse: Textmaschinen, Sprachspielen, Auf- und Entladungen,
Referenzen, die sich aufbauen, abbrechen, vertiefen und vernetzen ...
Differenzen und Wiederholungen von Lese- und Schreibakten ...

Das alte 'vaeterliche' (Plato) verantwortungsbewusste und eben vor allem
personal gebundene orale ueberlieferungsmodell von Texten mit klar
definiertem Sender/Autor/Autoritaetszentrum wird durch eine
entsubjektivierte Autoritaet der Schrift selbst abgeloest,
Kommunikationszusammenhaenge und Kontexte verschwimmen ...

Die Frage "wer spricht" wird zur Frage nach den ideologischen und
oekonomischen Machtverhaeltnissen kultureller Produktionsweise,
die zudem nicht selten die Grundlage bilden fuer basale gesellschaftliche
Produktionsverhaeltnisse.

Autorschaft erscheint funktional als ein Phantasma. Es verleigt, was
gegenstaendlich 'Text' genannt wird, Zusammenhang und ueberdeckt so die
disparat erlebte Wirklichkeit der Texte. Um diese negative, wenn nicht
traumatische Erfahrung zu ueberwoelben, bedarf es der Vorstellung von
Autorschaft. Sie erlaubt es, die symbolischen Repraesentationen, wie sie
in der mythischen Kodierung noch moeglich waren, zu ersetzen





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