wie die transmediale ihre unschuld verloren hat

Anna Balint scum at blogwar.org
Thu Feb 10 22:05:07 CET 2005


ein begriff, der im zusammenhang mit der diesjährigen transmediale 
immer wieder gefallen ist, lautet "freiwillige kollektivschuld". ich 
denke, eine der ersten personen, die jenes wort in den mund genommen 
hatten, war verena kuni im gespräch mit dem kunsthistoriker matthias 
weiss. als zentrales objekt dieser obskuren "freiwilligen 
kollektivschuld" lässt sich ohne jeden zweifel die netzaktivistengruppe 
"paffi nüppel" ausmachen. die "freiwillige kollektivschuld" 
repräsentiert jenen blick auf das beschmutzende subjekt, das in seiner 
erscheinungen ein kollektives schuldgefühl auszulösen vermag, etwa im 
sinne von: "mein gott, ich bin auch daran schuld, dass es soweit kommen 
musste."

das feld, auf dem wir uns bewegen, ist das der akademisch 
instiutionalisierten informationsredundanz. bei der menge an 
scheissdreck, der von kunsthistorikerInnen, kuratorInnen, 
direktorInnen, kritikerInnen und im besonderen auch den rädchen im 
ökonomischen getriebe, den ach so armen, aber ausgesprochen beredten 
künstlerInnen tagein, tagaus verzapft und in sämtliche kommunikativen 
und gesellschaftlichen kanäle [boxen] geblasen wird, ist es kaum 
verwunderlich, dass eine handvoll systemkritikerInnen die symbolische 
ordnung mit einem störfeuer an verschiebungen, verdichtungen und 
verfälschungen von proto-akademischer information zu repervertieren 
begannen.

jede pompöse ankündigung noch des unbedeutendsten aus der vielzahl von 
kongressen, die die welt nicht braucht, jeder distinkte pieps eines 
retroaktiven kunstkopierers oder kopierte-kunst-bewerters zieht nahezu 
zeitgleich eine vielzahl von kopien seiner selbst nach sich, die die 
menge von symbolischen tauschbörsen mit nahezu identischen inhalten an 
eine ganze reihe anderer orten verlegte; teils mit zeitlicher 
überdeckung, teils zeitverschoben.

was ist echt, was ist unecht? – das imaginäre begann, unbarmherzig die 
inhaltsleere des distinkten raums zu entblößen. die signifikanten 
zeigen auf die platzhalter jener leerstellen im akademischen raum, die 
sich für gewöhnlich in kakophonischen versammlungen von 
verdummungsspezialistInnen repräsentieren. wie viele andreas 
broeckmanns hat diese welt? 5? 10? keinen? fiktive personen begannen, 
andere personen des mutmaßlichen erfundenseins zu denunzieren. 
wissenschaftliche gesellschaften wie das institute of onkel heinz 
versorgen die weltöffentlichkeit mit informationen, als ginge es um die 
wurst, die eines morgens in geert lovinks schlafanzughose bommelte.

die ersten popanze zogen die konsequenz und sich flugs aus dem 
öffentlich/medialen raum zurück; sebastian lütgert (den ich vor zwei 
jahren noch selbst ausgestellt hatte), sagte unlängst seinen lange 
angekündigten vortrag am zkm wieder ab. ja, und auch sie haben, wenn 
sie bis hierher gelesen haben, offenbar immer noch verdrängt, dass sie 
längst von einer fiktiven person subvertiert worden sind. – was bleibt, 
ist ein übler nachgeschmack, den der "kuni"-avatar unlängst am rande 
eines der wirklich, wirklich unwichtigsten festivals für kunst und 
aufgekochte medien ausgesprochen hat.

willkommen im transmedialen zeitalter der freiwilligen kollektivschuld.





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für eine offene transformationsgesellschaft
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